Die Saison im Zeitraffer

Der neunte Abstieg – Rekord

Der Club und Cheftrainer Köllner vertrauen der Aufstiegsmannschaft und gehen das Abenteuer Bundesliga mit wenigen Neuzugängen und einem Team mit kaum Bundesliga-Erfahrung an. Nicht mehr mit dabei sind Kevin Möhwald (Werder Bremen), Rurik Gislasson (SV Sandhausen) oder Miso Brecko und Laszlo Sepsi (U Cluj). Mit Christian Mathenia kommt vom Absteiger Hamburger SV ein neuer Torhüter, mit Yuya Kubo ein japanischer Jugendnationalspieler aus Gent und ansonsten sollen die Talente Robert Bauer (Werder Bremen), Alexander Fuchs (1860 München), Timothy Tillmann (Bayern München), Törless Knöll (HSV) und Kevin Goden (1. FC Köln) wertvolle Wechsel auf eine Zukunft in der höchsten Spielklasse sein. Nur ein Last-Minute-Leihgeschäft lässt aufhorchen: Matheus Pereira, ein technisch brillanter Brasilianer mit einer festgeschriebenen Ablöse von 60 Millionen Euro von Sporting Lissabon, soll die Nürnberger Spielkultur heben.


Passabler Auftakt und zwei Auswärtsklatschen

Zum Saisonauftakt verliert der 1. FCN unglücklich bei Hertha BSC Berlin, weil Torjäger Mikael Ishak einen Elfmeter fünf Minuten vor Ende nicht verwandeln kann. Zwei Unentschieden zu Hause gegen Mainz und in Bremen sowie ein 2:0-Erfolg über Hannover 96 lassen Trainer Michael Köllner davon reden, dass man durchaus in der ersten Klasse mithalten könne.

Seine Einschätzung ändert sich auch nach den folgenden desaströsen Auswärtsniederlagen mit 0:7 bei Borussia Dortmund und 0:6 bei RB Leipzig nicht, beide Klatschen hätten auch zweistellig ausfallen können. Der dazwischenliegende deutliche, aber durchaus glückliche 3:0-Heimerfolg über Mitaufsteiger Fortuna Düsseldorf sollte der letzte Sieg für die nächsten 20 Spieltage sein. Hanno Behrens (28.), Mikael Ishak (64.) und Federico Palacios sorgen vor 36.000 Zuschauer für diesen Erfolg.


Abrutschen ans Tabellenende

Drei Unentschieden und sieben zum Teil klare Niederlagen lassen den Club ganz ans Tabellenende abrutschen. Mit nur 11 Punkten aus 17 Spielen hat er die rote Laterne inne, vor allem die Heimniederlagen gegen den VfB Stuttgart (0:2) und am letzten Spieltag vor der Winterpause gegen den SC Freiburg (0:1) schmerzen. Trainer Köllner, der den Brasilianer Pereira kaum spielen lässt und dessen Landsmann Ewerton nach überstandender Verletzung nicht ins Aufgebot nimmt, will aber meist gute Spiele seiner Mannschaft gesehen haben.

Das gilt zu Recht für die Unentschieden gegen Frankfurt und in Augsburg. Beim 1:1 gegen die Eintracht, die in der Europa League für Furore sorgt, muss der Club mit der letzten Aktion des Spiels in der 93. Minute nach einer starken Leistung noch den Ausgleich hinnehmen.


Fuchs-Mühl als Torschützen

Das 2:2 beim FC Augsburg gelingt nach einem 0:2-Rückstand zur Pause. Alexander Fuchs und kurz vor Abpfiff Lukas Mühl schießen die beiden Club-Tore. „Fuchs-Mühl“, die Namenskombination der Torschützen lässt Köllner, der aus dem oberpfälzischen Fuchsmühl stammt, schmunzeln: „Jetzt taucht Fuchsmühl auch noch in der Bundesliga-Torschützenliste auf. Es hat mich schon immer gefreut, dass ich einen Fuchs und einen Mühl in der Mannschaft habe. Und dann machen die auch noch die Tore.“

Schluss mit lustig ist es bei Köllner bei der nicht mehr verstummenden Kritik an seinen Wechselspielen: Nicht selten kommen Spieler von der Tribüne direkt in die Startelf, um am folgenden Spieltag postwendend wieder auf der Tribüne zu landen. Trotzig verweist der Trainer auf die schlechte finanzielle Situation beim Club und daraus resultierend auf das limitierte Potenzial seiner Mannschaft.


Keine Entlassung zur Winterpause

Zur Überraschung vieler hält der 1. FC Nürnberg über die Winterpause hinaus an Köllner fest, vor allem weil Sportvorstand Andreas Bornemann, der den Trainer entlassen müsste, felsenfest hinter dem Oberpfälzer steht. Erst nach dem bitteren 0:2 beim Vorletzten Hannover 96, bei dem der Club nach einem Platzverweis von Simon Rhein ab der 11. Minute in Unterzahl spielen muss, und nach einem blamablen 0:1 im Pokalspiel beim Zweitligisten Hamburger SV mit keinem einzigen Schuss der Nürnberger auf das gegnerische Tor zieht der Aufsichtsrat die Reißleine.

Mitte Februar beurlaubt man Sportvorstand Bornemann, Stunden später folgt das Aus für den Trainer Köllner. „Die Bundesliga war eine Nummer zu groß für Köllner“, kommentiert die Sportpresse diesen Schritt. Die Doppelspitze Boris Schommers und Marek Mintal soll den Club nun retten. Und das erste Spiel nach dem Wechsel lässt sich gut an: ein beachtliches 0:0 gegen Borussia Dortmund.


Harte Entscheidung und Sieg nach 20 sieglosen Spielen

Doch schon im nächsten Spiel in Düsseldorf wird die aufkeimende Hoffnung brutal im Keim erstickt: Nach vier Minuten fliegt Pereira vom Platz. Er soll als Revanchefoul dem Ex-Fürther Gießelmann nach einem Wortgefecht an die Hose gegriffen haben. Selbst die Extremzeitlupe lässt einen solchen Griff bestenfalls nur erahnen, Gießelmann wälzt sich minutenlang schmerzverzerrt am Boden, und der Schiedsrichter gibt nach ausführlichem Studium der Videobilder glatt Rot. Löwen bringt den Club zwar in der 41. Minute in Führung, am Ende steht es 1:2. Es folgen Niederlagen gegen Leipzig, Hoffenheim und Frankfurt bevor ein glattes 3:0 gegen Augsburg die Serie von 20 sieglosen Spielen ein Ende bereitet. Ishak, Pereira und Löwen heißen die Torschützen. Noch immer ist für den Club als Tabellenletzten alles möglich, denn noch nie war ein Schluss-Quartett in der Bundesliga so erfolglos wie Schalke, Stuttgart Hannover und der Club. Doch der Sieg zeigt keine befreiende Wirkung. Es folgen zwei Unentschieden in Stuttgart und zu Hause gegen Schalke.


Verschwörungstheorie

Vor allem bei diesem Spiel scheint sich alles gegen den 1. FCN verschworen zu haben. Für Kapitän Hanno Behrens dürften es die bittersten drei Minuten der Saison gewesen sein. Es läuft die 42. Spielminute, als sich der Schalker Caligiuri dafür entscheidet, eine Löwen-Flanke mit der Brust zu seinem eigenen Keeper abzulenken. Ein katastrophaler Fehler, denn spitzelt den Ball geistesgegenwärtig am herauseilenden Keeper Nübel vorbei ins Schalker Tor und erzielt die zu diesem Zeitpunkt hochverdiente Führung. Doch Schiedsrichter Dr. Robert Kampka entscheidet zum Entsetzen aller auf „gefährliches Spiel“ und Freistoß für Schalke. Nur wenige Augenblicke nach der Aktion folgt der nächste Behrens‘sche-Schockmoment. Der Kapitän bedient Pereira mit einem starken Zuspiel, Nübel bringt den Brasilianer regelwidrig zu Fall. Behrens übernimmt die Verantwortung, scheitert mit seinem Foulelfmeter aber am gut reagierenden Schlussmann. Statt einem wichtigen Dreier wieder nur ein Punkt, genauso wie beim nächsten Heimspiel gegen Bayern München. Nach einer couragierten Mannschaftsleistung bringt Pereira in der 48. Minute der Führungstreffer. Doch in der 75. Minute markiert Gnabry für die schwachen Bayern den 1:1-Endstand.


Gemeinsam kommen wir wieder

Nach einem 0:2 in Wolfsburg besiegelt ein klares 0:4 gegen Mönchengladbach am vorletzten Spieltag den neunten Abstieg des 1. FCN aus der höchsten Spielklasse. So oft ist noch nicht einmal Arminia Bielefeld aus der Bundesliga abgestiegen. Das letzte Spiel im Max-Morlock-Stadion hat trotzdem Gänsehaut-Faktor. Obwohl der Club kein gutes Spiel zeigt und die letzte Chance auf den Klassenerhalt verspielt, singen die Fans bereits mehrere Minuten vor dem Schlusspfiff vereint „You’ll Never Walk Alone“. Nach der Partie überreichen Anhänger der Ultras Nürnberg den Spielern Shirts mit einer aufmunternden Botschaft. „Dies ist nicht das Ende unseres Weges. Gemeinsam kommen wir wieder.“

Am letzten Spieltag setzt es mit dem 1:5 in Freiburg noch eine Lehrstunde für den Club mit drei Gegentoren innerhalb von acht Minuten. Als Tabellenletzter geht es mit ganzen 19 Punkten und 26:68 Toren in die Zweite Bundesliga. Auswärts gelang kein einziger Sieg, zu Hause waren es ganze drei. Die Zeitungen schreiben von einem „geräuschlosen Abstieg“.


„Packen wir es an“

Schon 18 Stunden später fängt eine neue Zeitrechnung an: Der 1. FC Nürnberg präsentiert mit Damir Canadi einen neuen Cheftrainer, schon Mitte April war mit Robert Palikuca einer neuer Sportvorstand verpflichtet worden. „Seit ich Trainer bin, ist die deutsche Bundesliga mein Ziel“, erklärt Canadi, „und der Club ist nicht nur aufgrund seiner Tradition ein großer Verein, der in die Bundesliga gehört. Packen wir es an, damit wir gemeinsam erfolgreich sind.“